top of page

Feuilleton vom 03.12.2022


1899 – Netflix Serie

Natürlich berichten wir über die neue Serie auf Netflix, die am 17. November fulminant gestartet ist. Die beiden Köpfe hinter 1899 sind Jantie Friese und Baran bo Odar, denen wir auch Dark zu verdanken haben, eine Zeitreisethematik mit dem durchdachtesten und verworrensten Plot, der damit international extrem erfolgreich ist. Dark ist mitunter überfordernd, bringt den Zuschauer aber mit seinen unerwarteten „Mindfucks“ und der düsteren Stimmung zum Staunen. Zusammen mit Serien wie Babylon Berlin, 4 Blocks oder Deutschland83 läutet Dark ein neues Zeitalter ein, in dem Serien aus Deutschland global vorzeigbar werden.


Die große Frage also: ist 1899 ähnlich kompliziert und „groß“? Hat es den gleichen Stil? Ist es wieder spannend und mysteriös? Die meisten Fragen kann ich mit „Ja, aber ...“ beantworten.

Was die Inszenierung angeht: Jupp, hier erkennt man die Handschrift der Dark-Showrunner: Düstere Bilder und Charaktere, die schwermütig ihre bedeutungsschwangeren Dialoge aufsagen. Die Filmmusik wabert und dröhnt durch jede Szene und soll ein mulmiges Gefühl vermitteln. Ständig werden neue Fragen und Mysterium in den Raum gestellt. Das Ganze ist dann eher langsam und schwerfällig inszeniert. Was Humor und Leichtfüßigkeit anbelangt: das braucht man bei 1899 nicht zu erwarten. Der Achtteiler ist düster und kommt ohne Witzchen oder ironische Sprüche aus. Jeder Satz wird aufgesagt, als würde die Existenz der Welt davon abhängen. Das muss nichts Schlechtes sein. Im Gegenteil. Es ist zu begrüßen, dass sich die Serie mit ihren Themen ernst nimmt. Nur wird das nicht allen gefallen. Dark hat die Messlatte sehr hochgelegt und unsere Erwartungen sind dementsprechend weit oben. Jetzt, nach Erscheinen, scheint die Stimmung gedämpft zu sein und während die drei Staffeln der Vorgängerserie in sämtlichen Rankings nach oben gewählt wurden, ist 1899 wohl eher im Mittelfeld zwischen „Sehr interessant“ und „meh“ angesiedelt. Liegt es also an uns, wenn die Begeisterung ausbleibt, weil wir zu viel erwartet haben, oder leistet sich die Serie doch zu viele Schnitzer?


Ein Schiff mitten auf dem weiten Atlantik. Viele Passagiere unterschiedlichster Herkunft und Schichten. Das Signal eines verloren gegangenen Schiffes. Das ist die Ausgangssituation von 1899. Schon in der ersten Folge werden Erinnerungen an das B-Movie Ghostship, wie auch den unterschätzten Geheimtipp Triangle wach. Mehr zu verraten ist in der heutigen Zeit, in der jeder alles als „Spoiler“ bezeichnet, was nach dem Vorspann geschieht, verantwortungslos. Doch man kann sich bereits in der ersten Folge halbwegs denken, in welche Richtung es geht. Spätestens am Ende der zweiten Folge, wird relativ klar, worauf das Ganze hinausläuft, nur um innerhalb der letzten Szene nochmal einen Haken zu schlagen, der getrost als Bilderbuch-Cliffhanger bezeichnet werden kann. Wenn also 1899 ein paar Wochen in den oberen Plätzen der Streaming-Charts bleibt, können wir 2023 oder das Jahr darauf mit einer weiteren Staffel rechnen.


Was gibt es sonst noch zu sagen, ohne zu viel zu verraten?


Die Optik ist eine Mischung aus „absolut fantastisch“ und „da sieht man aber, dass das nicht echt ist“. Immerhin handelt es sich hier um eine der ersten, deutschen Produktionen, die im „Volume“ gedreht wurde. Das bedeutet: kein Greenscreen im Hintergrund, sondern ein großes Bühnenstudio mit riesigen LED-Wänden, auf denen das identische Bild abgespielt wird, was auch die Zuschauer am Ende sehen werden. Mit dieser Technologie hat zum Beispiel schon The Mandalorian von sich reden gemacht. Das kann Segen sein, ab und zu allerdings auch ein Fluch. Dafür, dass es sich um die bisher teuerste deutsche Produktion handelt, fragt man sich schon irgendwie: warum ist dieser riesige Dampfer so beengt und wo sind die angeblich 1400 Menschen, die darauf reisen?


Kameratechnisch und bezüglich anderer Effekte kann 1899 allerdings locker international mithalten oder steckt viele Konkurrenten sogar in die Tasche. Das gilt ebenso für die bunt gemischte Besetzung, denn die ist wie schon bei Dark exzellent gelungen. Ansonsten ist es schwierig, ein eindeutiges Fazit zu ziehen und so sollte man sich die Frage stellen: hätte man Lust, die Serie irgendwann nochmals zu schauen?


Es wird sich zeigen, ob eine weitere Staffeln in Auftrag gegeben werden und was die beiden Showrunner daraus machen. Potential ist extrem viel vorhanden, doch bisher wurde daraus zu wenig gemacht.

Von Daniel Böckeler

4 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page