Feuilleton vom 05.11.2022

The Playlist - Netflix-Serie
Sie hören doch bestimmt auch gerne Musik, oder? Doch WIE hören sie die Lieder und Kompositionen, auf die sie Lust haben? Im Radio? Kaufen sie noch CDs? Downloads? Oder eventuell ganz stilvoll auf Vinyl, was ja seit einigen Jahren ein Revival unter Liebhabern erlebt. Die meisten von euch werden bestimmt folgendermaßen antworten: Ich streame. Das gleich gilt auch für Hörbücher und besonders für Podcasts. Doch wie genau sind wir eigentlich hier gelandet? Für die Musikindustrie war dieser Wandel mehr ein ungewolltes Kind und man wollte viel lieber an der Vergangenheit festhalten. Technischer Fortschritt war für die gesamte Branche damals der Feind. Genauer gesagt: die Digitalisierung und die damit aufkommende Piraterie. Diebstahl durch Mausklick. Das Streaming selbst kam erst später, was eine Mischung aus Heilsversprechen, Kompromiss und Dumpinglöhnen für die Künstler geworden ist. Für den heutigen „Immer und überall“-Konsumenten ist es natürlich sehr beliebt und bequemer Luxus. Und zugegeben: es ist einfach besser, als im Radio auf das passende Lied zu warten und es auf Kassette aufzunehmen und der Moderator mit einem Einwurf den Song versaut.
Doch wie genau ging dieser Wandel vonstatten? Wann ist das Geschehen und wer ist dafür verantwortlich? Diesen Ursprüngen geht die Netflix-Serie „The Playlist“ auf den Grund und beleuchtet die Entstehung des erfolgreichsten Musikstreaming-Dienstes „Spotify“.
Das Konzept ist diesbezüglich sehr interessant, denn die Geschichte des damaligen Startups, das einige Jahre später zu einem milliardenschweren Konzern (abseits des Silicon Valley) werden sollte, wird aus sechs unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. Und wer denkt, dass der Gigant des Video-Streamings Netflix seinen Bruder im Geiste mit weißer Weste darstellen wird, hat sich geschnitten. Die Macher haben durchaus für eine gewisse Ambivalenz gesorgt. Bezüglich des Konzepts muss man sich das bei den sechs Folgen wie folgt vorstellen:
In Folge eins steht „Die Vision“ im Fokus – Daniel Ek, der CEO und Erfinder von Spotify wird vorgestellt. Seine Anfänge. Sein Scheitern. Seine schüchterne Art. Sein Genie und seine technische Kompetenz. Seine Beziehung zu seiner Mutter. Eine typische „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Geschichte, die wir besonders im Tech- und Softwarebereich so seit The Social Network bereits kennen.
Folge zwei „Die Industrie“: Erheblich interessanter ist die Perspektive der Musikindustrie. Hier wird sehr gut argumentiert, dass die damalige Situation, in der jeder Musik gratis von Rechner zu Rechner tauschen konnte und somit seine Festplatten füllte, keine Zukunft haben würde. Zumindest nicht für die Plattenlabels und ebenso wenig für die Künstler, die von dem kostenlosen Sharing keinen Cent sehen. Damals wie heute nennen die Leute es verharmlosend „tauschen“, aber letztendlich ist es einfach Diebstahl, ohne vom Rechner aufzustehen.
Folge drei „Das Gesetz“: Die Sicht der Anwälte. Wie würde sich eine engagierte und ambitionierte Anwältin bezüglich ihrer Karriere entscheiden? Vertretung eines Startups, ohne zu wissen, ob sich der Erfolg einstellen wird, oder bleibt man in der konservativen Kanzlei, dem sichereren Hafen, aber eher stets ein kleineres Licht unter dem Deckel der Männer und ihrer Vetternwirtschaft. Leider ist das Konzept der Inszenierung dieser Folge etwas verwirrend, da alle Orte durch einen Korridor zu erreichen sind und das Betreten einer Tür dann auch einen Tag-Nacht-Wechsel oder einen Ortswechsel symbolisiert. Was bei Birdman funktioniert hat, ging hier leider in die Hose.
Folge vier „Der Coder“, zu Deutsch: Programmierer. Hier wird auch ab und an die vierte Wand durchbrochen und der Hauptdarsteller dieser Folge erklärt uns Zuschauern, wie die Technik hinter dem Streaming funktioniert und welche Hürden es zu nehmen gilt.
Folge fünf „Der Partner“. Daniel Ek hat damals einen charismatischen Partner mit Geld gebraucht und der wird hier großartig von Chris Hillborg gespielt, der uns in dieser Folge in einem Podcast erzählt, wie sein Werdegang samt Aufstieg und dem bitteren Abschied abgelaufen ist.
Folge sechs – vielleicht die interessanteste und vor allem für Schöpfer und Kreative die wichtigste Perspektive – „Die Künstler“. Was bekommen eigentlich die Musiker vom Kuchen ab? Kann man durch Musikstreaming leben? Die Antwort lautet: absolut nein, von ein paar wenigen Ausnahmen mal abgesehen. Und diese „all you can eat“-Mentalität in der Musik als auch bei den E-Books sorgt zwar für weitere Verbreitung und Streuung, was den Bekanntheitsgrad des Werkes, des Künstlers oder der Marke steigert, doch die Margen, die am Ende für den Kreativen abfallen, sind derart mager, dass sich das nicht lohnt. Darauf verzichten kann man aber auch nicht …
Hier noch ein paar Infos zur Serie:
The Playlist ist seit dem 13.10. auf Netflix zu sehen.
Miniserie, bestehend aus sechs Folgen, je 45 Minuten
Produktionsland: Schweden
Originalsprache: schwedisch
Regie: Per Olav Sörensen
Darsteller: Eddie Hanzon, Christian Hillborg, Ulf Stenberg, Gizem Erdogan, Sam Hazeldine
Von Daniel Böckeler