top of page

Feuilleton vom 08.10.2022


Streaming – wie ist die Lage und was kommt auf uns zu?

Denken wir zehn Jahre zurück. Im Jahr 2012 lebten wir alle ein anderes Leben. Smartphones und Tablets waren noch etwas (relativ) Neues. Es gab noch Videotheken. Pandemien waren nur in Büchern und Filmen zu finden. Und das Streaming von Filmen und Serien steckte (zumindest in Deutschland) noch in den Kinderschuhen. Es gab Lovefilm, Watchever (von 2013 bis 2016), Maxdome, Sky Go (später Sky Ticket, jetzt Wow) und natürlich YouTube. Fertig. Hatte man eine halbwegs gute Internetverbindung, konnte man sich eine Auswahl an Filmen und Serien gemütlich ansehen, ohne direkt etwas herunterladen zu müssen oder es real in den Einkaufswagen zu packen. Damals neu, heute Standard. Gehen wir fünf Jahre vorwärts: Netflix mischt seit 2015 auch in Europa kräftig mit und liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Amazon Prime, dem ehemaligen Lovefilm, um die Nummer eins. Ebenso am Start ist Sky mit seinem Ticket. Watchever hat die Bühne verlassen und Maxdome ist zusammengeschrumpft. YouTube bietet seit 2018 eine Premium-Version an und die Ersten meinten bereits ab diesem Zeitpunkt: Jetzt reicht's aber langsam!

Spulen wir noch mal fünf Jahre nach vorne, ins Hier und Jetzt. Zu den eben genannten Plattformen sind seitdem Disney+, AppleTV+ und Joyn dazugekommen. HBO (max) und Hulu ignorieren wir hierzulande mal und werfen lieber einen Blick auf das Jahresende: Ab dann will noch mal jemand mitmischen, und zwar Paramount. Wir alle kennen den Berg mit den Sternen rund um seinen Gipfel. Die Schmiede, aus der Indiana Jones, Mission: Impossible und Star Trek kommen. Und die wollen nun ebenfalls ein üppiges Stück vom Streaming-Kuchen. Ist ein weiterer Anbieter etwas Gutes für uns Zuschauer oder eher nicht?

Was dafür spricht: Konkurrenz belebt das Geschäft. Gibt es mehr Auswahl, müssen die Plattformen auch Angebote schaffen, um sich positiv abzuheben. AppleTV+ zum Beispiel setzt auf Qualität statt Quantität. Weniger Inhalt, dafür einfach besser. Aber auch die Konkurrenz bringt nach und nach Inhalte, die zu begeistern wissen. Klar, oftmals wird auch seelenlose Massenkost auf uns losgelassen, aber jeder Dienst hat auch seine Hochkaräter im Angebot, die mit Begeisterung geschaut werden.

Nehmen wir die Perspektive der Konzerne an, die zusätzliche Gewinne generieren wollen, ist der Schritt eines eigenen „Ladens“ ebenfalls nachvollziehbar. Warum sich nur mit ein paar Lizenzen zufriedengeben, wenn man seinen eigenen Inhalt auch direkt an den Mann und die Frau bringen kann? Doch als Konsument stehen wir auf der anderen Seite. Kam man bisher mit einem oder zwei Anbietern gut zurecht, da dort mehrere Filme und Serien auch aus fremden Produktionsstätten für einen gewissen Zeitraum eingekauft wurden, werden genau diese nach und nach verschwinden und wandern zu ihrem Mutterkonzern zurück. Es fühlt sich an, als ob man uns etwas wegnimmt. Schon sind wir bei den negativen Seiten dieser größer werdenden Auswahl.

Paramount wird seine definierten Hausmarken nicht mehr so einfach an Netflix abgeben, wodurch es dort kein Star Trek mehr geben wird. Wer also bestimmte Inhalte sehen will, muss dann entweder tief in die Tasche greifen und einen weiteren Dienst abonnieren oder eine Ausleihgebühr zahlen. Und dann heißt es: zusätzliche Kosten oder ein weiteres Abo? Darauf sind die wenigsten scharf. Irgendwann ist es eben zu viel und wenn das Angebot zu sehr gestreut wird, kommen wieder diejenigen zutage, von denen man dachte, sie seien dank des attraktiven Preisangebots fast verschwunden: die Raubkopierer.

Am Ende kommt es auf den Preis an. So ganz stimmt das jedoch nicht. Nennen wir es das Preis-Leistungs-Verhältnis. Ebenso ist relevant, ob der Anbieter es erlaubt, das Konto zu teilen, was ein erheblicher Faktor ist, ob man das Abo weiterlaufen lässt oder auf den Kündigungs-Button klickt.

Sollten Warner oder Universal auch hierzulande ihren eigenen Dienst starten, wäre eine Übersättigung schnell da. Der aktuelle Boom wäre vorbei, die Blase würde platzen und die Kuchenstücke des Streamingmarktes würden binnen kürzester Zeit sehr mager ausfallen. Klar, zu wenig Auswahl ist nicht toll. Umgekehrt will aber auch keiner ein Überangebot.

Was passiert bezüglich des Streamings eigentlich in Deutschland? Natürlich haben die öffentlich-rechtlichen Sender ebenfalls ihre Mediatheken, um hier dagegenzuhalten, denn alles andere wäre bei den überzogenen Rundfunkgebühren ein Hohn. Kann diese Auswahl jedoch mit der internationalen Konkurrenz mithalten? Jein mit Tendenz zu „Nein“, lautet die Antwort. Vielleicht kann „Der Schwarm“ dies 2023 ändern. Immerhin gab es schon etliche deutsche TV-Produktionen, die international erfolgreich waren, aber während sich die deutsche Wirtschaft selbst jahrzehntelang als Exportweltmeister bezeichnet, gilt das für Filme, Serien und Games bis heute eindeutig nicht.

Von Daniel Böckeler

1 Ansicht0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page